Der Roman hat, was doch eher selten geschieht, unsere einhellige Zustimmung gefunden, auf der moralisch-politischen wie auf der formal-künstlerischen Ebene.
Es ist ein einfaches Buch – es will sich einfach geben, so wie das Leben der Hauptfigur es ist, gar langweilig, ereignislos. Im Alltag des Herrn Redaktors Pereira wiederholt sich alles; seine Aktivitäten bleiben harmlos wie die literarischen Artikel, die er verfasst. So schleicht der Roman dahin – doch wir lassen uns mitziehen. Desgleichen entwickeln wir eine gewisse Sympathie für die Figur, obwohl sie auch äusserlich nicht anziehend wirkt.
Lissabon liegt 1938 ruhig da – jedenfalls in Pereiras Augen; nur verhohlene Angst weist auf ein schlimm repressives System hin.
Es kommt nun immerhin ein Unruhe-Faktor herein, in der Gestalt des geheimnisvollen jungen Monteiro Rossi, welcher zunehmend gefährliche Ansinnen an Pereira stellen wird, denen dieser überraschend nachkommt. Bis er vom «Helden» zum Helden wird. Was unsere moralischen Bedürfnisse befriedigt: Lange haben wir darauf gewartet, dass er etwas tue – und siehe, er tut, plötzlich listig, nachdem sich auch ihm die grauenhafte Diktatur offenbart hat.
Allerlei Fragen bleiben uns offen, nicht zuletzt die nach der das Buch durchziehenden Formel im Titel. Aber es dominiert die Bewunderung für diesen Roman eines Italieners, der sich nach Portugal versetzt hat.
Antonio Tabucchi: Erklärt Pereira (orig. Sostiene Pereira), 1994. Taschenbuch im dtv.
