Kinder, Jugendliche, Eltern und einige SeniorInnen bewegen sich zur Musik im Kreis. Alle wuseln durcheinander. In der Mitte steht Shoan (9) als ruhender Pol, winkend und strahlend wie eine Sonne. Er dreht sich langsam um sich selber, denn er kann sich nicht so leichtfüssig bewegen wie die anderen Kinder.
Auf ein Zeichen des Choreographen Damien Liger (43) bilden sich Gruppen, geordnete Turbulenzen, in denen sich die TeilnehmerInnen langsam um sich selber drehen, dann wieder Bewegung im Chaos, bis sich auf ein Zeichen hin neue Gruppen formieren, wie in einem Kosmos im Kleinen.
Wir befinden uns mitten in einer Probe zum Generationenprojekt «Mouve-Mot». Kurz vorher, zu Beginn der Probe, war Theatersport angesagt, Aufwärmübungen mit der Regisseurin Isabelle Freymond (38). Die Leiterin des gesamten Projekts erteilte alle Anweisungen mehrsprachig: hochdeutsch, schweizerdeutsch und französisch. Alle waren konzentriert dabei, beim Durchbewegen und Abklopfen des Körpers, beim Grimassen-Schneiden, bei Stimmübungen, kleinen Improvisationen.
Jetzt, nachdem die Choreographie der Sterne nach einigen Wiederholungen ohne laute Zurufe von Damien ganz gut geklappt hat, kommt als neues Element das «mot» hinzu.
Isabelle gibt Anweisungen: In fünf Altersgruppen sollen die TeilnehmerInnen diskutieren, was sie an den anderen stört; sie dürfen ihrem Ärger Ausdruck verleihen. Nach 20 Minuten soll jede Gruppe eine Performance vorführen. Die Teenie-Gruppe diskutiert, ob ihr Sprechchor in Hoch- oder Schweizerdeutsch vorgetragen werden soll. Sie stimmen ab und einigen sich darauf, dass beides vorkommen darf.
Ihr Ärgernis: Die Vorurteile der Erwachsenen gegenüber der heutigen Jugend. Shoan, der nicht spricht, schlägt seine Faustknöchel gegeneinander zum Zeichen, dass zwischen den Generationen verschiedene Meinungen aufeinanderprallen. Die Kleinsten beschweren sich darüber, dass die Teenies und Erwachsenen immer auf ihr Handy starren und keine Zeit und Aufmerksamkeit für sie übrigbleibe. Die Erwachsenen halten sich darüber auf, dass die Jungen durchlöcherte Kleidung tragen, mitten im Winter. Das sei ungesund. In den Vorführungen ertönt dann ein richtiges Sprachgemisch, sogar Kauderwelsch kommt vor. Alle Darbietungen werden beklatscht und auf Video aufgenommen – zwecks Weiterentwicklung.
In der Pause können wir mit einigen der ProtagonistInnen sprechen.
Die Dramaturgin Joelle Jobin (33), Initiantin dieser «intergenerativen und inklusiven Eigenproduktion», erklärt, dass das «Junge Theater Biel» zum ersten Mal mit Senioren zusammenarbeitet. Mit den Proben wurde im Oktober angefangen. Die Idee ist, dass Kinder, Jugendliche und SeniorInnen Dialoge spinnen über Erinnerungen, Träume und Visionen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden ausgelotet. Begegnungen und Austausch sind das Wichtigste, dann das Wagnis, zu improvisieren, kreativ und in Bewegung zu sein. In der jetzigen Phase entstehen nach und nach die ersten Szenen. Alle sind mit Begeisterung dabei und freuen sich auf die Aufführungen im Mai.
«Die Idee ist, dass Kinder, Jugendliche und SeniorInnen Dialoge spinnen über Erinnerungen, Träume und Visionen.» Joelle Jobin
Joseph Riedweg (67) ist ein Bekannter der Eltern von Shoan. Diese fragten ihn, ob er auch mitmachen wolle. Zuerst hatte er Bedenken, ob er genug Energie aufbringen könne. Jetzt macht ihm die Sache grossen Spass.
Der erst siebenjährige Joaquin ist mit Freude dabei. Sein Grossvater Ulrich Gilomen (61) entdeckte letzten Herbst die Ausschreibung des Projekts in der Zeitung und meldete sich mit seinem Enkelkind zusammen an.
Emil Wittig (12) macht zum ersten Mal bei der Theatergruppe mit. Seine Mutter hatte die Idee, dass er sich anmelden könnte. Nach dem Schnuppertest, an dem rund 60 Leute teilgenommen hatten, war er sich sicher, dass die Idee seiner Mutter sehr gut war. Trotzdem, Schauspieler ist nicht sein Traumberuf, sondern Programmierer.
Geplante Aufführungen von «Mouve-Mot»:
Stadttheater Biel: 22. Mai 2019, 10.15 Uhr/ 19.30 Uhr
26. Mai, 17.00 Uhr
27. Mai, 10.15 Uhr
Stadttheater Solothurn: 23. Mai, 19.30 Uhr